Um unsichtbare gesundheitliche Gefahren wie sie beim Skandal um Brustimplantate 2010 öffentlich wurden in Zukunft zu vermeiden, hat die EU reagiert. Am 25. Mai trat die Medizinprodukteverordnung „MDR 2017 | 745“ in Kraft und stellt Hersteller von Medizinprodukten vor bislang nie dagewesene regulatorische Herausforderungen. Betroffen sind alle Anbieter, Serienhersteller und Hersteller von Sonderanfertigungen wie z.B. Dental Labore, Orthopädietechniker oder Hörgeräteakustiker. Unterstützung bekommen sie vom Kölner Beratungsunternehmen PROXI, das mit Hilfe einer Landesförderung, bei deren Einwerbung das NRW.Europa-Team half, eine Plattform entwickelt hat, die unter anderem QM-Systeme und vor allem das von der neuen Verordnung geforderte kontinuierliche Risikomanagement skalierbar macht. Ausbauen wollen die Verantwortlichen dies jetzt auch für andere Branchen.
„Die neue Verordnung dient dem Verbraucherschutz, ist aber mit einem hohen Aufwand für die Unternehmen verbunden“, weiß PROXI-Geschäftsführer Karl-Heinz Martiné, der sich bereits seit 1999 mit Fragen rund um Managementsysteme beschäftigt. „Für das Qualitätsmanagementsystem der Hersteller bedeutet sie, die Systeme entsprechend einzurichten, zu dokumentieren, anzuwenden, aufrechtzuerhalten, ständig zu aktualisieren und kontinuierlich zu verbessern. Die Verordnung fordert QM-Systeme jetzt auch von Herstellern für Sonderanfertigungen in gewerblichen Unternehmen sowie in Gesundheitseinrichtungen. Das betrifft sogar den Zahnarzt, der Zahnkronen und Brücken in seiner Praxis selbst herstellt.“
Um eine Finanzierung für eine angedachte digitale Lösung zu entwickeln, nahmen die Kölner 2020 Kontakt zu den NRW.Europa-Förder- und Innovationsexperten bei ZENIT auf. Im Rahmen mehrerer Gespräche und einem Innovationsaudit wurde nicht nur die Idee qualifiziert bewertet und in Form eines für Externe nachvollziehbaren Geschäftsmodells gebracht. Auch bei der erfolgreichen Beantragung eines Digitalisierungsgutscheins im Rahmen des NRW-Landesprogramms Mittelstand Innovativ & Ditigial (MID) halfen die ZENIT-Profis.
Das darüber umgesetzte Angebot kommt sehr gut an. Bereits 70 Hersteller von Medizinprodukten haben mittels der Unterstützung durch die PROXI.GMBH ihr QM System eingerichtet, sind auf der Plattform angemeldet und bezahlen für deren Nutzung über eine kostengünstige Monatspauschale. Diese beinhaltet auch eine regelmäßige Betreuung durch das Kölner Team.
SharePoint-Plattform nicht nur für Dental-Branche
Das Grundelement der digitalen Lösung zur Automatisierung/Rationalisierung von Risikomanagement und QM-Dienstleistungen besteht aus einer SharePoint-basierten Plattform inklusive individueller Nutzerapplikationen. Das Dental-Labor als Nutzer erhält dabei eine weitgehend automatisierte zentrale Durchführung und Auswertung von digital gesteuerten klinischen (Nach-)Beobachtungen seiner Kunden (Zahnärzte). Geboten werden außerdem eine Risikobewertung und entsprechende Alerts an die betroffenen zahntechnischen Labore und ein automatisiertes Qualitäts-, Risiko- und Sicherheitsmanagement. Auf Wunsch der Kunden können die Themen Arbeitsschutz und Datenschutz auf dieser Plattform integriert werden. Frei nach dem Motto „Complete Compliance“.
„Wir sind Beratungsspezialisten in den Bereichen Managementsysteme und Datenschutz, kennen uns aber nicht mit Fördermitteln aus. Ohne die Hilfe der ZENIT-Experten hätten wir für unsere Idee einer skalierbaren Plattform für QM-Systeme wahrscheinlich keine Förderung über das Landesprogramm Mittelstand Innovativ & Digital erhalten.“
PROXI.GMBH-Geschäftsführer Karl-Heinz Martiné
Nach dem erfolgreichen Plattformstart im März 2021 stehen jetzt die nächsten Schritte an. Angedacht sind betriebsindividuelle und dabei dennoch skalierbare Applikationen. Dabei können vor allem intelligente, auf Nutzerverhalten-/Datenmuster basierende Methoden eine wichtige Rolle spielen. „Da wir die Lösung mittelfristig auch auf andere Branchen übertragen wollen, werden wir Funktionen und digitales Geschäftsmodell nutzerspezifisch weiterentwickeln“, beschreibt Karl-Heinz Martiné die Zukunftspläne. Dafür sucht man gerade einen neuen Mitarbeiter. Finanziert wird er zum Teil über den Förderbaustein MID-Assistent. Auch bei dessen Beantragung konnte ZENIT helfen.
Lösungsangebote auch für andere Branchen
Schon im Herbst möchte die PROXI.GMBH ihre Plattform für Gebäudedienstleister anbieten, die unter anderem Covid-bedingt einen enormen Bedarf an einem Compliance-konformen Umgang mit Dekontaminationsaufgaben haben. Die Erfolgsaussichten sind gut. Ohnehin gehört die Branche mit ihren oft großen Unternehmen zu denen, die im Umweltbereich zertifiziert sein müssen und die Kölner Berater wegen deren Expertise in diesem Segment bereits kennen.
Vor dem Hintergrund der internationalen und nationalen Klimaziele rechnen die Kölner Berater damit, dass das Thema Energiemanagementzertifizierung zunehmend wichtiger werden wird. Was bislang nur Pflicht für große Unternehmen ist, könne perspektivisch auch für Betriebe mit weniger als 250 Beschäftigten gelten. Dafür will man gerüstet sein und die neue Plattformlösung entsprechend ausbauen.